In den Innenstädten gelten die Haustauben oder auch Stadttauben als Plage. Andere Länder, andere Sitten. Auf Kuba ist die Erdtaube vom Aussterben bedroht. Dies wollte ich eigentlich nur mal vorausschicken, damit niemand denkt, der Gabor übertreibt es jetzt mit seiner Tierliebe.

Denn der eigentliche Grund für diesen Bericht ist der, dass wir zur Zeit ein kleines Findelkind großziehen. Nämlich eine Wildtaube. Bei uns am Stall wurde eine Hecke gefällt und da niemand damit rechnete im September noch ein (bewohntes) Vogelnest zu finden, nahm das Unheil seinen Lauf. Ein Küken war sofort tot, dass andere saß bibbernd vor Kälte und reichlich zerzaust neben der abgeschnittenen Hecke und seinem ehemaligen Zuhause.

Was tun? Alle waren betroffen, niemand wollte den kleinen Pieper töten also nahmen wir den kleinen Kerl mit. Zum Glück gibt es bei uns in der Nähe einen Tierarzt der sich mit Vögeln gut auskennt. Der war so freundlich das Küken kurz zu untersuchen, insbesondere auf Parasiten. War aber alles OK. Der kleine Racker war übrigens seiner Ansicht nach erst ein paar Tage alt wie man auf dem Foto auch gut erkennen kann.

Taube am 22.09.2011

Also spielten wir mal Elternersatz. Und da dies unser erster Versuch war, mussten wir uns schon etwas in die Materie einlesen. Unsere Erkenntnisse und Erfahrungen möchte ich hier mal zum besten geben. Denn wenn jemand plötzlich zum Taubenvater (oder auch Mutter) wird, ist man ja über jede Info dankbar.

Also:
1. Die Temperatur sollte so um die 35 Grad Celsius betragen. Bedenken Sie, dass die Mutter auf dem Gelege sitzt und die Küken wärmt. Das müssen Sie praktisch nachahmen. Ich habe einfach eine Plastikbox genommen, diese 1 cm mit Wasser gefüllt und auf ein Heizkissen gestellt. Schnell noch ein Thermometer rein und auf Stufe 1 hatten wir ruckzuck unsere 30 – 35 Grad.
2. Das Küken kann man natürlich nicht in das Wasser setzen. Daher noch eine weitere Plastikschüssel genommen, diese mit Watte ausgeschlagen und ein oder zwei Papiertücher draufgelegt. Das ist dann das Nest. Und da Schüsseln ja wasserdicht sind, das Ganze einfach in das Wasser gestellt.
3. Zum Fressen haben wir einfach alle möglichen Körner gemahlen. Zum Glück hatte ich noch eine alte aber saubere Kaffeemühle. Mit der haben wir Sonnenblumenkerne, Weizen, Roggen, usw. klein gemahlen. Im Zoofachhandel bekommt man auch Taubenfutter, welches man ebenfalls klein mahlen kann. Das fertige Mehl dann mit etwas Wasser gemischt, auf eine Spritze gezogen und schon konnte man ans Füttern gehen. Einfach eine Hand locker über das Küken legen. Wenn man die Finger etwas spreizt steckt das Küken seinen Schnabel senkrecht in die Höhe, zwischen die Finger durch. Wenn man dann mit der Spitze der Spritze (natürlich OHNE Nadel) etwas an den Schnabel tippt, geht der dann irgendwann auf und man kann mit der Spritze etwas Brei in den Schlund applizieren. Unser Küken hat schnell gelernt und somit war das Füttern nach ein paar Tagen kein Thema mehr. Sobald man die Hand über das Küken hielt war der Schnabel auch schon zwischen den Fingern und auch offen.
4. Die Futtermenge ist schwer zu beschreiben. Man sieht schon sehr deutlich, wenn der Kropf voll ist. Der liegt dann wie eine Kugel vor dem Küken. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich der kleine Kerl schon meldet wenn er Hunger hat. Und wenn der Kropf voll ist, dass sieht man auch. Ausserdem wird dann auch nicht mehr so bereitwillig der Schnabel zum Füttern geöffnet.

Man sollte sich übrigens nicht zu sehr mit dem Tier befassen. Denn wenn die Wildtaube an Menschen gewohnt ist, verliert es die Scheu und ist dann keine Wild-Taube mehr. Das ist nicht gut, da es die Lebenserwartung der Wildtaube sehr verkürzt. Ebenso wenn es sich an Hunde oder Katzen gewöhnt.

Wenn Ihnen also mal das Gleiche passiert wie uns, wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Aufzucht. Hoffentlich waren unsere Erfahrungen etwas hilfreich für Sie.

Und wenn sie wirklich Fachkenntnisse über Taubenzucht besitzen bin ich für Ratschläge und Vorschläge immer zu haben. Schreiben Sie mich an. Gerne verbessere ich den Beitrag oder komplettiere in mit Ihren Tipps und Ratschlägen.

Nachtrag vom 20.10.2011:
Gestern haben wir den kleinen Pieper zu einer auf Wildvögel spezialisierten Station gebracht. Mittlerweile kann er schon alleine fressen und sollte sich jetzt den Winter über an die Freiheit und an andere Wildtauben gewöhnen. Groß genug ist der kleine Kerl ja:

Taube am 12.10.2011

Übrigens kann ich jetzt die Begeisterung vieler Menschen verstehen, die sich der Taubenhaltung verschrieben haben. Tauben werden so schnell zahm, es ist kaum zu glauben. Insbesondere die letzten Tage, als sie anfing zu fliegen, wurde sie fast schon lästig. Wir haben einen großen Wintergarten. Sobald sich jemand hier aufhielt wurde er angepiept. Und als er flügge wurde hatte man urplötzlich eine Taube auf der Schulter sitzen. Das ist aber bei Tauben nicht so schlimm. Genauso schnell wie die sich an den Menschen gewöhnen, genauso schnell werden die auch wieder wild.