Das ist allerdings schon lange her. Ohne jetzt den ständigen Nörgler spielen zu wollen, möchte ich doch mal ein paar Beispiele zum besten geben. Außerdem muss ich mir irgendwo mal den Frust von der Seele schreiben. Wobei ich sicherlich nicht der einzige Mensch bin, der das so sieht.
Ich kann mich an einen Schulkollegen erinnern, dem 1976 im Einstellungsgespräch für eine Ausbildungsstelle gesagt wurde, er hätte in der Schule mehr Gas geben sollen. Damals war es eigentlich selbstverständlich, dass man in der Schule „Gas gegeben“ hat. Bis in die 1960’er Jahre wurde ja praktisch jeder Schulabgänger von den Unternehmen hofiert. In den 1970’er hatte sich das aber langsam geändert. Die Firmen konnten sich die Azubis aussuchen, und das haben Sie auch getan. Und in der Schule war einem bekannt, dass man spätestens auf den letzten drei Zeugnissen gute Noten haben musste.
Letztens habe ich einen jungen Mann (entfernt verwandt), der nächsten Sommer aus der Schule kommt, beim Bewerbung schreiben geholfen. Auf seinem Zeugnis, mit dem er sich bewerben möchte, sind bereits die Kopfnoten unter aller Granate. Über die richtigen Noten wollen wir jetzt mal netterweise den Mantel des Schweigens breiten. Und dann wundert er sich noch, dass er bereits nach ein paar Wochen die Absagen im Briefkasten hat. Anspruchsdenken hat der junge Mann aber schon. Beworben wird sich natürlich nur bei den großen Unternehmen die Industriemechaniker oder Chemiekanten ausbilden. Die zahlen nämlich später gut. So weit zu denken, dass Firmen die ein gutes Gehalt zahlen auch gute Leistungen von Ihren Mitarbeitern erwarten, so weit reichte es bei ihm denn doch nicht.
Aber gehen wir doch mal eine Altersklasse weiter. Durch meine ehemalige Tätigkeit als Ausbilder habe ich ja immer noch einige Kontakte zu ehemaligen Auszubildenden. Einem jungen Mann, gelernter Kaufmann im Einzelhandel, der immer einen recht guten und zuverlässigen Eindruck erweckt hat, wollte ich einen Gefallen erweisen. Daher habe ich ihn darum gebeten, mir doch mal seine komplette Bewerbungsmappe zu überreichen. Die wollte ich dann einem Bekannten mitgeben, welcher Regionalleiter bei einem großen Discounter ist. Im Grunde genommen also eine Bewerbung mit Einstellungsgarantie. Jetzt raten Sie mal, was ich bekommen habe. Eine Email mit Dateianhang. Der Dateianhang bestand aus seinem Lebenslauf mit Lichtbild, dem Kaufmannsgehilfenbrief und —— nichts weiter. Dem jungen Mann auch noch seine Unterlagen auszudrucken, eine Bewerbungsmappe zu kaufen, ein Anschreiben zu verfassen, usw. usw. , dass war dann auch mir herzensgutem Menschen zu viel. Also habe ich einfach mal abgewartet, was passiert. Nach zwei Wochen meldetet sich der junge Mann und wollte wissen, wann er denn mit einer Einstellung rechnen könne. Auf meine Antwort, dass ich es noch nicht geschafft habe eine Bewerbungsmappe zu kaufen und ich auch keinen Farbdrucker habe (wegen des Fotos auf dem Lebenslauf), hat er nicht reagiert. Offensichtlich hat er noch nicht einmal die Ironie bemerkt.
Aber gehen wir noch eine Generation weiter. Mein Nachbar wohnt seit 8 Jahren neben mir. Als er die Wohnung bezog lebte er von Hartz IV. Heute auch noch! Nur mit den Unterschied, dass er jetzt 3 statt zwei Kinder hat. Von irgendwas muss man ja leben, und sei es das Kindergeld und die Zulagen. Aber es ist ja nicht so, dass er sich nicht bewirbt. Aber für einen ungelernten Hilfsarbeiter ist der Arbeitsmarkt eben etwas enger. Und wenn man dann noch Gehaltsvorstellungen hat, von denen ein Facharbeiter nur träumen kann, geht natürlich gar nichts mehr. Obwohl, zwischenzeitlich hat er ja auch mal gearbeitet. Das erste war Auslieferungsfahrer bei Quelle. Aber das war aus gesundheitlichen Gründen leider nicht möglich, dass die Pakete ja allerhand wiegen. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass der gute Mann ein Kerl so groß und so breit wie ein Schrank ist. Der sieht so aus, als wenn er eine Waschmaschine alleine nehmen könnte. Die nächste Stelle war eine als Gabelstaplerfahrer. Für die nicht eingeweihten: Gabelstaplerfahrer und Kraftfahrer ist mittlerweile der Beruf, den jeder ohne ordentlichen Berufsabschluss ausüben möchte. Unter dem Motto, dass kann ja jeder, dass ist nicht schwer. Das ein Unternehmen sehr genau überlegt, ob man eine Hilfskeule ohne Fahrerfahrung mit dem teuren Auslieferungsfahrzeug losziehen lässt, daran denken diese Leute nicht. Und das ein Anfänger mit einem Gabelstapler im Lager an einem Tag locker einen fünfstelligen Betrag in den Sand setzen kann erst recht nicht.
Fazit: Große Klappe, nichts dahinter. Aber das (un-)gesunde Sozialsystem fängt einen ja schon auf. Bekommt man keine Ausbildungsstelle geht man eben noch weiter zur Schule. Hilft nicht viel? Dann geht es als nächstes eben zu einem Bildungsträger. Hat auch nicht so richtig geholfen?. Naja, dann gibt es ja noch Hartz IV. Wie ich mir die Leistungsgesellschaft zurückwünsche!!!
Aber es geht auch anders. Mein Sohn hat (so wie seine Schulkollegen) ein ordentliches Abitur hingelegt. Danach einen Studiengang an der Universität begonnen, den er demnächst (auch mit einer guten Note) abschließen wird. Seine Kommilitonen ebenso. Auch die alten Schulfreunde aus der Gymnasialzeit haben mittlerweile Ihre hochwertigen Ausbildungen erfolgreich beendet. Probleme auf dem Arbeitsmarkt hat von denen keiner. Im Gegenteil, die Firmen reißen sich um solch gute Mitarbeiter, die einen geraden Weg gehen und über Jahre (Schule, Ausbildung, Studium) gezeigt haben, dass sie leistungsfähig sind. Die verdienen dann auch das Gehalt, von dem die Ungelernten meine, Sie hätten es verdient.