Man kann wirklich niemanden mehr glauben. Und seit dem bekannten Videofake über russische Spieler, die angeblich Paintball in einer alten Kaserne mit echten, scharfen Waffen spielen kann man selbst den eigenen Augen nicht mehr trauen. In dem Video wird übrigens zuerst wirklich glaubhaft über die Spieler in den ehemaligen Kasernen berichtet und im zweiten Teil des Film detailliert gezeigt, wie der Film gemacht wurde und mit welchen Tricks gearbeitet wurde. Im Grunde ist am ersten Teil des Film kein einziges Wort wahr.

Anlass dieses, meines Beitrags ist allerdings ein Bericht aus der Onlineausgabe der Bildzeitung. Dort laß ich über einen Pudel, der wohl einen Mann gebissen hat und jetzt in ’s Tierheim soll. Als Hundehalter und Tierfreund lese ich Artikel in denen es über Tiere geht meist durch. Auch in diesem Falle, obwohl ich bild.de eigentlich nur überfliege und die Überschriften lese. Um der Objektivität genüge zu tun habe ich Ihnen immer in Klammern den Originaltext hinzugefügt. Also schauen wir mal.

Wie regelmäßigen Lesern meines Blog bekannt ist, ich bin Hunden durchaus positiv gegenüber eingestellt und selbst Hundehalter. Aber wie dort ein bestimmter Eindruck erweckt werden sollte war schon mehr als simpel und primitiv. Zuerst einmal wurde das Beißen als Zwicken bezeichnet (Zitat: „Weil Pudel Moritz (6) einen Mann gezwickt hatte ….“). Also ich als erfahrener Hundehalter kann Ihnen versichern, beißen ist beißen. Ich spiele sehr oft mit meinem Hund, und da geht es manchmal auch schon mal etwas rauher zur Sache. Von beiden Seiten. Und dabei zwickt mich mein Hund manchmal versehentlich im Eifer des Gefechtes. Aber da fließt kein Blut, das tut noch nicht einmal weh. Und falls er mir doch einmal zu feste zupackt brauche ich nur kurz zusammen zu zucken, schon läßt der Hund los. Wohlgemerkt, mein eigener Hund. Fremde Leute würde der nie zwicken. Selbst wenn er mit Besuch (mein Bruder, mein erwachsener Sohn, usw.) spielt zwickt er die nicht. Lieber Bildredakteur, was soll also die Verniedlichung? Ohne persönlich dabei gewesen zu sein würde ich das auf jeden Fall als aggressiven Akt und höchstwahrscheinlich sogar als beißen bezeichnen.

Die Stadt Braunschweig sieht die Sache wohl genauso und hat eine Überprüfung angeordnet. Also im Grunde einen Verhaltenstest / Wesenstest. Den muß natürlich die Halterin des Hundes veranlassen und auch selber bezahlen. (Zitat: „Der ALG-II-Empfängerin fehlen die 1400 Euro für den amtlich geforderten Gegenbeweis“). 1400 € soll der Gegenbeweis kosten, dass der Pudel keine Gefahr darstellt. Nun ja, mir ist nicht bekannt wo der Bildredakteur bzw. die Halterin diesen Betrag her hat. Und ist ja auch verschieden. Meist nehmen ja entsprechend ausgebildete Tierärzte oder Sachverständige den Test ab und da unterscheiden sich die Preise naturgemäß. Aber für den Verhaltenstest / Wesenstest stehen normalerweise so 200 bis 250 € an. Wenn man Glück hat und an einen netten, nicht so geldgierigen Tierarzt gerät, auch schon mal für 100 €.

Aber es wird noch besser. Denn eine Hundetrainerin hat den Pudel bereits begutachtet (Verlangt die etwa 1400 € ?) und kommt zu einem überraschenden Ergebnis. (Zitat: „Dieser Schoßhund hat gar nicht die Beißkraft jemanden zu verletzten“). Ja hat die denn gar keine Ahnung? Mittlerweile darf sich wohl jeder Hundetrainer nennen, der das Wort Hund richtig schreibt. Das ist die Kehrseite von nicht geschützten Berufsbezeichnungen. Also klären wir die Dame mal auf: JEDER Hund ist dazu in der Lage einem Menschen schwere bis schwerste Verletzungen beizubringen. Auch ein Pudel hat genug Beißkraft um Ihnen einen Finger abzubeißen. Und wenn sich der Mensch (aus Altersgründen, weil Kleinkind oder Greis) nicht wehren kann sogar schwer verletzen. Damit einem dies klar ist muß man kein Hundetrainer sein, sondern lediglich seinen gesunden Menschenverstand benutzen.

Die Hundetrainerin kommt aber (ohne es zu wissen) zum Kern der Sache. Sie führt nämlich weiter aus: (Zitat: „Moritz ist vom Wesen her ein absoluter Familienhund, zwar ein wenig verängstigt, aber definitiv kein Kampfhund“). Da sträuben sich mir die Nackenhaare und mir fällt spontan das Reizwort Angstbeißer ein. Der Pudel ist sicherlich ein Familienhund, davon bin ich überzeugt. Und ich bin auch geneigt zu glauben, dass er keinem Familienmitglied etwas zu Leide tut. Aber was ist, wenn er sich auf der Straße von jemanden bedroht fühlt. Dann wird es nämlich unter Umständen gefährlich. Ein selbstbewußter Hund mit festem Rückhalt beim Hundeführer hat sicherlich kein Problem damit auch in solchen Situationen ruhig zu bleiben und nicht zu beißen. Beim ängstlichen Hund sieht die Sache da schon ganz anders aus. Und dann noch bei solch einem kleinen Hund, der sich sicherlich eher bedroht fühlt als eine ausgewachsene Dogge.

Um der Polemik noch eins drauf zu setzen wurde der Artikel dann auch noch gefühlsecht mit einem Foto der 13-jährigen Tochter, knuddelnd mit dem Pudel, garniert. Dem möchte ich als krönenden Abschluss nichts hinzufügen.

Nachtrag vom 22.03.2012:
Heute hat die Bild noch mal ein’s drauf gesetzt. Und zwar wurde nach berichtet, dass die Zeitungsleser 1400 € gespendet haben und jetzt die Halterin sowohl Hundeführerschein als auch Wesenstest bezahlen kann. Da liegt ja die Vermutung nahe, dass es von vorneherein nur um’s liebe Geld ging. Sobald es um Hunde oder Kinder geht schalten die meisten Meschen leider Ihr Gehirn aus. Eigene Schuld, wer dafür auch noch spendet. Auch diesen Artikel hat die Redaktion mit einem (un)passenden Foto belegt. Der besagte Pudel mit einem medienwirksamen, weil vieeeel zu großem Maulkorb. Bei solch einer Tierquälerei kann einem das Lachen nur noch im Halse stecken bleiben.

Pudel mit viel zu großem Maulkorb