Zur Zeit sind die Schweizer groß in der Presse, weil sie sich per Volksentscheid gegen eine gesetzliche Erhöhung des Jahresurlaubs ausgesprochen haben. Also bleibt es wie es ist, der Jahresurlaubsanspruch bleibt bei durchschnittlich vier Wochen. Die Gewerkschaften wollten dies (stufenweise) auf sechs Wochen anheben. Ob dieser Volksentscheid wirklich die Meinung des Volkes widerspiegelt wage ich an dieser Stelle mal zu bezweifeln. Nicht umsonst haben die Arbeitgeberverbände tief in die Tasche gegriffen und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Unter dem Motto „Mehr Ferien = Weniger Jobs“ wurde den Eidgenossen gehörig Angst vor der wirtschaftlichen Krise gemacht. Und dementsprechend ist der Volksentscheid ja auch ausgefallen.

Die Problematik die dahinter steht beschränkt sich allerdings nicht auf die Schweiz. Natürlich muss eine Senkung der Arbeitszeit irgendwie bezahlt werden. Und das einzelne Arbeitgeber (insbesondere Kleinunternehmer) dies unter Umständen nicht leisten können ist durchaus möglich. Andererseits gibt es genug Großkonzerne, die jedes Jahr Millionen an Gewinn erwirtschaften. Bei denen ist es wohl eher die allgemein zu beobachtende Gier nach immer höheren Umsätzen und natürlich auch Gewinnen. Die Zeiten in denen ein Unternehmen als positiv angesehen wurde, wenn es einen guten, akzeptablen Gewinn erwirtschaftete sind ja wohl lange vorbei. Selbst klein und mittelständische Unternehmen wollen immer mehr. Es müssen schon jedes Jahr zweistellige Zuwachszahlen sein, sonst haben die Verantwortlichen ein Problem.

Bezahlen tun dies die in erster Linie die Arbeitnehmer. Im Prinzip gibt es für Unternehmen zwei Möglichkeiten zu sparen.
Die Verwendung von billigeren Roh- Hilfs- und Betriebsstoffen. Damit haben sich allerdings schon etliche Firmen in die berühmten Nesseln gesetzt. Berühmt berüchtigtes Beispiel die Firma Opel, die minderwertige Materialien verwendete und (wenn ich mich recht entsinne beim Astra) zahlreiche Motorschäden während der Garantiezeit erstatten musste. Oder um bei den Automobilfirmen zu bleiben die Firma BMW, die eine ungeeignete Schraube an der Lichtmaschine verbaute. Ein paar Cent gespart, Millionen für neue Lichtmaschinen und die entsprechende Rückrufaktion ausgegeben. Und vom Imageschaden wollen wir hier schon gar nicht reden. Mercedes hing Jahrzehnte lang der Ruf an, schlechte Bleche zu verarbeiten, nur weil beim /8 Modell minderwertige (wenn ich mich recht entsinne Russische) Bleche verarbeitet wurden. Die Fahrzeuge rosteten schneller als sie fuhren.
Aber zurück zum Thema. Am Material zu sparen ist also nicht immer eine gute Idee. Folglich wird jetzt seit einigen Jahren an den Lohnkosten gespart. Die Folge sind nicht nur geringere Effektivlöhne sondern auch eine Erhöhung der Arbeitsbelastung. Dies geht auch wesentlich subtiler und unauffälliger als es jetzt in der Schweiz passierte. Bestes Beispiel ist die Einführung der Zeitarbeit. Vom Prinzip her eine gute Sache. Allerdings mittlerweile vollkommen pervertiert. Da Gründen Unternehmen Ihre eigene Zeitarbeitsfirma nur um neue Arbeitnehmer zu günstigeren Konditionen einstellen zu können. Bestes Beispiel (schon einige Zeit her) Nokia in Bochum. Aktuell fällt mir REAL ein, die Kassierer nur noch über eine Zeitarbeitsfirma einstellen. Auch DHL ist schwer unter Beschuss geraten, weil Aufträge an Subunternehmen vergeben werden, die die Paketfahrer gnadenlos ausbeuten. Aber nicht nur die Großen, auch bei Kleinunternehmen macht das System mittlerweile Schule. Im Handwerk zum Beispiel erinnern die Arbeitsbedingungen mittlerweile an Akkord. Nur die Entlohnung der Gesellen entspricht keinem Akkordlohn sondern dem Tarif, der in etlichen Bereichen beschämend ist. Aber die Handwerker haben ja zumindest noch die Möglichkeit unser aller System zu umgehen und „schwarz“ zu arbeiten. Diese Aufträge fehlen dann zwar dem selbstständigen Handwerksmeister, aber der treibt einfach seine Leute zum noch schnellerem Arbeiten an.

Kurzfristig wird diese Entwicklung von den Arbeitgebern sicherlich als positiv angesehen. Logisch, denn jetzt wird der Gewinn maximiert. Was in einigen Jahre passiert, ist dem aktuellen Managern doch vollkommen egal. Das kann dann der Nachfolger ausbaden. Aber die negativen Folgen merken wir schon jetzt. Nicht ohne Grund gilt das Burnout-Syndrom zur Zeit als die Zivilisationskrankheit schlechthin. Und das die Krankenstände immer mehr zunehmen hat liegt zu einem überwiegenden Teil an den aktuellen Ausbeutermethoden. Wie lange dieses System noch angewandt werden kann —- nunja, lassen wir uns mal überraschen. Wen wundert es, dass es immer mehr Verweigerer gibt, die lieber von Hartz IV und Schwarzarbeit leben. Zum Glück bin ich selbständig tätig. 😉 Und meine Mitarbeiterin erhält ein angemessenes Gehalt und wird nicht ständig zu Höchstleistungen und schnelleren Arbeiten getrieben.

Nachtrag von 13:50
Wie der liebe Zufall es wo will hat der Regionalradiosenden 1Live jetzt gerade eine Telefonumfrage zur Mittagspause durchgeführt. Da meldete sich gerade eine junge Dame, die berichtete, dass Sie die Wahl hat. Entweder keine Mittagspause (essen zwischendurch am Arbeitsplatz) und pünktlich Feierabend oder Mittagspause und dann eben (unbezahlte) Überstunden.
Da spare ich mir jetzt mal jeglichen Kommentar. 🙁